Das ResearchGate-Verfahren

Mitte  September diesen Jahres wurden die in Deutschland und den USA seit mehreren Jahren andauernden gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen ResearchGate und verschiedenen Verlagen durch einen Vergleich erledigt .[1] Was war Gegenstand und Ergebnis des Verfahrens und welche Schlüsse können daraus gezogen werden?

Gründung der Coalition for Responsible Sharing

Im Jahr 2017 haben die beiden Verlage American Chemical Society (ACS) und Elsevier zusammen mit den anderen Unternehmen Wiley, Wolters Kluwer und Brill[1] die „Coalition for Responsible Sharing“[2] (im Weiteren: „CfRS) gegründet, eine nach US-Recht staatlich errichtete gemeinnützige Gesellschaft[3]. Noch im Gründungsjahr richtete die CfRS in ihrem „founding statement“ die Aufforderung an die Berliner GmbH ResearchGate, auf der Plattform veröffentlichte Fachartikel zu entfernen[4].

Die ResearchGate GmbH al Plattformbetreiberin stellte zu diesem Zeitpunkt bereits einige Jahre technische Werkzeuge für den Upload wissenschaftlicher Artikel durch Nutzer:innen zur Verfügung.  Diese können auf sogenannten „Publication Pages“ für andere abrufbar eingestellt werden. Mittels eines automatisierten Verfahrens kann ResearchGate außerdem selbst Beiträge von registrierten Nutzer:innen auf Seiten Dritter finden. Auf die Bejahung einer automatisierte Anfrage von ResearchGate nach der Autor:innenschaft kann der Beitrag dann dem Nutzer:innenprofil hinzugefügt und dort auch heruntergeladen werden.[5]

Als Reaktion auf die Aufforderung der CfRS verschob ResearchGate 1,7 Millionen Artikel in einen nicht-öffentlichen Bereich. Die der CfRS angeschlossenen Verlage nahmen dies wohlwollend als ersten Schritt zur Kenntnis[6]. Über ihre rechtliche Vertretung Lenz Caemmerer wurde ResearchGate ein Angebot der International Association of Scientific Technical and Medical Publishers (STM)[7] unterbreitet, das unter anderem den Vorschlag enthielt ein „automated system, utilizing existing technologies and ready to be implemented by STM members“ zu installieren, dass anzeigen würde, ob die Version eines Artikels öffentlich oder privat geteilt werden könne. Ein solches System könne innerhalb von 30-60 Tagen implementiert werden und sei innerhalb von 24 Stunden arbeitsfähig. Weiterhin wurden verschiedene, zum Teil befristete Weiternutzungsmöglichkeiten für Inhalte, die vor oder nach September 2016 gepostet wurden, vorgeschlagen. In einem Interview kommentiert Dr. James Milne, heute Vorsitzender der CfRS sowie Präsident von ACS Publications: “They rejected that solution”.[8]

Nachdem der Vorschlag nicht zu einer einvernehmlichen Lösung führte, reichten ACS und Elsevier im Jahr 2017 Klage vor dem Landgericht München ein. In dem Streit machten die Verlage geltend, die ausschließlichen Nutzungsrechte von Millionen Fachartikeln aus wissenschaftlichen Zeitschriften inne zu haben, die nun auf der kommerziellen Plattform auf den Profilen von ResearchGate-Nutzer:innen zu finden seien.

Die zweite Klage

Eine zweite Klage von ACS, Elsevier Inc., Elsevier Ltd. und Elsevier B.V. vor dem U.S. District Court in Maryland vom 2. Oktober 2018 gegen die ResearchGate GmbH[9] beinhaltete eine „nicht erschöpfende Liste“ von 3.143 Forschungsartikeln, die nach Angaben der Verlage von ResearchGate unter Verletzung des Urheberrechtsschutzes geteilt wurden. Die Verlage machten für jedes verletzte Werk Anspruch auf bis zu 150.000 US-Dollar geltend[10] – eine mögliche Gesamtsumme von mehr als 470 Millionen US-Dollar.

Die erste Entscheidung

Im Jahr 2022 hat das Landgericht München der Klage teilweise stattgegeben, einen Teil der geltend gemachten Ansprüche aber auch abgewiesen.

Die Entscheidung befasst sich mit den folgenden grundsätzlichen Fragen: Ist deutsches Urheberrecht auf diesen Fall, der ausländische Verlage und Autor:innen betrifft und bei dem auch der Server sich im Ausland befindet, anwendbar? Genießen auch Previews und Abstracts urheberrechtlichen Schutz?  Haftet die Plattformbetreiberin überhaupt für mögliche urheberrechtliche Verletzungshandlungen[11]? Die oben genannten Fragen und auch die wirksame Einräumung der Nutzungsrechte an die Verlage bejahte das OLG und sah einen Unterlassungsanspruch als gegeben. Für die Geltendmachung von Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen sah das Landgericht keine Berechtigung. ResearchGate teilte auf seiner Website daraufhin mit, dass 50 von Autor:innen hochgeladene Artikel und andere Materialien bereits vor Jahren entfernt wurden und dass hinsichtlich dieses Unterlassungsanspruchs eine Berufung gegen das Urteil eingereicht worden sei.[12] Das Urteil wurde aus diesem Grund nicht rechtskräftig.

Der Verfahrensausgang

Mitte September 2023 schlossen die Parteien einen Vergleich, mit dem die Rechtsstreitigkeiten sowohl in Deutschland als auch den USA erledigt sind.[13] Die CfRS erläutert dazu, ACS, Elsevier und ResearchGate hätten sich auf eine technische Lösung geeinigt, die es Autor:innen, die Forschungsartikel bei ACS oder Elsevier veröffentlicht haben, ermögliche, ihre Arbeit auf der ResearchGate-Plattform urheberrechtskonform zu teilen. Automatische Prüfungen erfolgen sofort beim Hochladen und würden dabei helfen, Zeit zu sparen – die Einigung sei eine gute Nachricht für Forschende.[14] Die Aussage lässt vermuten, dass das automatische Prüfverfahren auch für ResearchGate-Nutzer:innen Klarheit über Ihre Zweitverwertungsrechte an Artikeln bringt. Schließlich haften auch diese für ein rechtswidriges öffentliches Zugänglichmachen eigener Artikel.

Welches Verfahren genau vereinbart wurde, ist allerdings nicht klar. In der Mitteilung der CfRS heißt es weiter „The specific terms of the parties’ settlement are confidential.”[15] 


[1] Seit Oktober 2023 De Gruyter Brill, https://www.boersenblatt.net/news/aus-brill-und-de-gruyter-wird-de-gruyter-brill-304729 .

[2] http://www.responsiblesharing.org/ 

[3] LG München I, Endurteil v. 31.01.2022 – 21 O 14450/17, Rn. 1.

[4] http://testcrs.fhgermany.de/about-us/founding-statement/ abgerufen am 12.12.2023; Erstunterzeichner am 5.10.2017: American Chemical Society (chair), Brill, Elsevier, Wiley, Wolters Kluwer; 18.12.2017: American Medical Association, American Physiological Society, Portland Press (wholly-owned by the Biochemical Society), and World Scientific Publishing; 18.01.2018: Future Science Group; 3.04.2018: BMJ; 19.04.2018: IEEE; 31.05.2018: Oxford University Press; 23.10.2018: KeAi Publishing; 12.12.2018: American Society of Plant Biologists.

[5] LG München I, Endurteil v. 31.01.2022 – 21 O 14450/17, Rn. 2f.

[6] http://www.responsiblesharing.org/2017-10-10-researchgate-removed-articles/ , zuletzt abgerufen am 12.12.2023.

[7] https://www.acs.org/pressroom/newsreleases/2017/september/acs-publications-endorses-publishing-trade-groups-approach-toward-researchgate.html , abgerufen am 12.12.2023.

[8] https://www.insidehighered.com/news/2018/10/04/publishers-accuse-researchgate-mass-copyright-infringement, abgerufen am 12.12.2023.

[9] Ebd.

[10] https://www.documentcloud.org/documents/4953373-ACS-Elsevier-v-ResearchGate-Filing-in-Maryland.html, abgerufen am 12.12.2023, S. 24.

[11]Zur Frage ob ResearchGate als Plattformbetreiberin nicht nach § TMG § 10 S. 1 TMG (bzw. Art. EWG_RL_2000_31 Artikel 14 EWG_RL_2000_31 Artikel 14 Absatz I RL 2000/31/EG) von einer Haftung befreit ist: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-GRURRS-B-2022-N-1108?hl=true  Rn. 185 ff.

[12] https://www.researchgate.net/press-newsroom/statement-litigation-elsevier-american-chemical-society , abgerufen am 14.12.2023; Die Die Berufung wurd beim OLG München unter dem Az. 29 U 759/22 geführt (GRUR-RR 2022, 160, beck-online).

[13] http://www.responsiblesharing.org/2023-09-15-acs-elsevier-and-researchgate-resolve-litigation-with-solution-to-support-researchers/ 

[14] Ebd.

[15] Ebd.


[1] http://www.responsiblesharing.org/2023-09-15-acs-elsevier-and-researchgate-resolve-litigation-with-solution-to-support-researchers/